Hausaufgaben aufgeben?
Die weniger gute Nachricht: Zum Thema Hausaufgaben gibt es allein in Deutschland ungefähr so viele Meinungen wie Schulfächer, wenn nicht noch mehr. Je nachdem wen man fragt sind Hausaufgaben unbedingt notwendig oder reine Zeitverschwendung. Es gibt zwar jede Menge Befragungen und Statistiken, aber auch die geben in der Regel keine genaue Auskunft, ob Hausaufgaben jetzt gut oder schlecht sind, sondern unterstützen oft nur die Meinung der Leute, die sie in Auftrag gegeben haben.
Da Schule in Deutschland außerdem Sache der Bundesländer ist – d.h. jedes einzelne Bundesland hat eigene Bestimmungen, Regelungen und Gesetze zum Thema Schule – gibt es auch keine einheitliche, gesetzliche Hausaufgabenverordnung für das ganze Land, sondern viele verschiedene Lösungen.
Die gute Nachricht ist: Ihr als Schüler*innen habt Rechte und könnt durch verschiedene Gremien – angefangen mit den Klassensprecher*innen, hin zur Schulversammlung bis zur Bundeschüler*innenkonferenz – an der Gestaltung von Schule im Kleinen und Großen mitwirken.
Der Landesschüler*innenausschuss (LSA) Berlin hat am 15.11.2017 ein Positionspapier zum Thema Hausaufgaben veröffentlicht. Darin fordern die Schüler*innen neue und faire Regelungen für Hausaufgaben, die für alle Berliner Schulen gelten sollen. Wir haben mit Franz Kloth, dem Pressesprecher des LSA, gesprochen und er hat uns ein bißchen mehr darüber erzählt, was genau dahinter steckt.
Hallo Franz, schön dass du Zeit hast mit mir zu sprechen.
Euer Positionspapier schließt ja im Prinzip an Forderungen an, die es schon länger, bzw. immer wieder mal gibt, die bis jetzt aber noch nicht, bzw. nur an einzelnen Schulen umgesetzt worden sind. Kannst du mir kurz erzählen wie die aktuelle Regelung zu Hausaufgaben aussieht und wer die festlegt?
Ja, also prinzipiell gibt es von der Senatsverwaltung und dem Land keine Regelungen wie man Hausaufgaben genau gestalten soll. Das wird den Schulen als eigenverantwortliche Aufgabe delegiert, damit sich dort in der Schulkonferenz und in den verschiedenen Gremien von Eltern, Schüler*innen, Lehrer*innen dazu Gedanken gemacht werden. Dann kann man eine eigene Hausaufgabenregelung verfassen.
Bis 1991 gab es noch die sogenannten „Ausführungsvorschriften für Hausfgaben“ vom Land. Die wurden zwar abgeschafft, die GEW gibt sie allerdings weiterhin als Leitfaden heraus, in dem wir konstruktive Ansätze sehen. Wir fordern die Wiedereinführung dieser Vorschriften. Dort standen klare Regelungen drin, wieviele Hausaufgaben man bekommen kann und was der genaue Zweck von Hausaufgaben sein soll.
Aktuell gibt es nur einige Grundsatzparagraphen im Schulgesetz, in denen steht, dass Hausaufgaben erledigt werden müssen (§46), aber auch, dass die allgemeine Belastung für Schüler*innen zumutbar sein muss (§4). Dieser letzte Grundsatz wird nach unseren Erfahrungen regelmäßig gebrochen.

Franz ist 17 und geht in die 12. Klasse. Er ist nicht nur Pressesprecher des LSA Berlin, sondern außerdem Vorstand der Bundesschüler*innen-konferenz, 1. stv. Vorsitzender des Evangelischen Schülerausschuss, Schülersprecher am Evangelischen Gymnasium Köpenick und Sprecher der Schüler*inneninitiative “Politik als Schulfach”. Foto: LSA Berlin
Das heißt also, es gibt auch keine zeitliche Vorgabe für Hausaufgaben. Oft wird ja gesagt, dass Hausaufgaben mehr als eine halbe Stunde nicht überschreiten sollen. Weißt du, z.B. durch Rückmeldungen anderer Schüler*innen, wie lange Kinder und Jugendliche tatsächlich für Hausaufgaben brauchen? Kann man das überhaupt festlegen?
Ich denke, dass es höchst unterschiedlich ist, weil die Schulen sich da ja verschiedene Maßstäbe gesetzt haben. Aber im Durchschnitt schwankt es. Manchmal sind es unter 30 Minuten, es kann aber auch durchaus mal Übungen geben, die insgesamt über eine Stunde gehen.
Und dann gibt es noch das Problem, dass Kinder außerdem ab und zu über die Ferien Hausaufgaben erhalten. Da muss man dann auch abwägen inwiefern das sinnvoll ist, weil das ja eigentlich ne Zeit sein soll für Schüler*innen um wirklich runterzukommen. Andererseits muss man den Stoff auch behalten und es ist nicht komplett ungerechtfertigt Übungen aufzugeben.
Kannst du mir kurz erzählen wie euer Positionspapier entstanden ist?
Wir machen sogenannte Klausurtagungen. Viermal im Jahr fahren wir mit Vertreter*innen aus den Bezirken – die dort in den Bezirken, von den einzelnen Schülervertreter*innen, aus den einzelnen Schulen, legitimiert sind – in ein Tagungszentrum. Meistens ist das in Brandenburg oder z.B. im Wannseeforum in Spandau. Dort wird dann ein ganzes Wochenende lang intensiv über mehrere Themen debattiert. Es werden Erfahrungen gesammelt, der Ist-Stand festgestellt und dann formuliert man, wie man sich wünscht, dass das Thema in Zukunft aussehen soll. Das haben wir bei dem Hausaufgabenpapier auch so gemacht.
Erklärst du nochmal was genau ihr vorhabt oder was ihr euch wünscht? Wollt ihr wirklich die Hausaufgaben abschaffen, wie es z.B. die Berliner Zeitung schreibt?
Das ist das was im Positionspapier geschrieben wurde: Dass wir Hausaufgaben, in ihrer jetzigen Form, abschaffen wollen. Das sollte die Vorlage sein, damit man gesellschaftlich noch mehr in die Diskussion kommt. Aber was wir fordern ist eine radikale Änderung der Praxis, wie Hausaufgaben aufgegeben werden, bzw. eine Neuverhandlung des Begriffs und eine andere praktische Umsetzung.
Habt ihr Ideen wie das genau umgesetzt und durchgesetzt werden soll? Denn da gibt es ja auch immer relativ viel Gegenwind. Gerade von Lehrer*innen aber auch von Eltern werden Hausaufgaben oft als wichtige Übungsfunktion gesehen.
Also wir können ja nicht leugnen, dass es wichtig ist, dass – wenn man etwas nicht versteht, was im Unterricht nach dem Rahmenlehrplan durchgenommen wird – man irgendwie daran arbeiten muss, dass das Wissen gefestigt wird. Und da reicht die Unterrichtszeit manchmal nicht zu aus. Gerade wenn man als Schüler*in schwächer ist.
Was wir fordern ist, dass man von dem Begriff Hausaufgaben in dem Sinne weggeht, dass man nicht alles, was irgendwie nicht verstanden wird oder was zeitlich nicht mehr reinpasst in den Unterricht, nach Hause schiebt um das noch durchzubekommen. Denn vor Allem die, die es wirklich nicht verstanden haben, die sonst aufgeben, wenn ihnen niemand hilft, die kommen zuhause nicht klar. Gerade auch wenn das soziale Umfeld nicht helfen kann.
Hausaufgaben könnte man in dem Sinne abschaffen, dass man sagt, dass sie nicht zwingend zuhause erledigt werden müssen, sondern dass es immer einen Raum in der Ganztagsschule gibt, mit Leuten, die einem pädagogisch und fachlich helfen können diese Aufgaben zu lösen; und das kostenlos.
Die Ganztagsschule geht ja bis 16 Uhr. Heißt das, dass danach noch jemand zur Verfügung steht oder dass das schon innerhalb dieser acht Stunden passieren soll?
Wir fordern, dass der Schultag nicht länger wird und man innerhalb dieser acht Stunden bleibt, inklusive der Hilfe bei den Themen, aber dann müsste man auch generell an das Konzept Schule ran. Die Belastungen sind ja enorm gestiegen im Vergleich zu früher, wo man noch viel mehr Stunden Sport hatte und um 13 Uhr Schluss. D.h. da muss man auf jeden Fall auch die Rahmenlehrpläne entschlacken, damit einerseits Wissen, aber vor allem auch die Kompetenz sich Wissen anzueignen auf gesunde weise vermittelt wird. Das ist auch genau das Problem, was wir an Hausaufgaben sehen. Sie werden oft einfach so aufgegeben, auch wenn die Klasse sagt, sie hat keine Lust auf die Hausaufgaben, weil sie keinen Spaß machen, sie keinen Sinn darin sieht. Dabei müsste eigentlich schon eigenverantwortlich Bewusstsein da sein: ich hab Lust Hausaufgaben zu machen, weil es mir hilft und ich mach die auch freiwillig, ohne dass sie überhaupt benotet werden müssen und ohne dass es Hausaufgabenstriche gibt.
Welche Chancen rechnet ihr euch aus, dass das umgesetzt wird und wie kann man euch dabei unterstützen?

Der LSA-Vorstand im September 2017 – Franz, Philipp, Eileen, Lucas, Klaas. Foto: LSA Berlin
Wir haben ja erstmal dazu angeregt, dass in den einzelnen Schulen darüber diskutiert wird damit es Regelungen und Empfehlungen gibt in der Schule, wieviele Hausaufgaben pro Tag gemacht werden dürfen. Da sind engagierte Schüler*innen und Eltern gefragt! Die Lehrer*innen sollen sich absprechen, damit nicht von einem Tag auf den anderen ein Block Hausaufgaben aufgegeben wird. Da ist es auch schön, wenn Schulen eigenverantwortlich freie Konzepte entwickeln. Was wir aber als Problem sehen ist, dass die einzelnen Schulen nicht die Kapazität haben sich da selbst drum zu kümmern und wir wünschen uns das von offizieller Seite da mehr Beratung kommt. Also, dass die Senatsverwaltung Leitfäden oder sogar wieder Ausführungsvorschriften vorgibt, die im demokratischen Dialog an den Schulen jedoch abgeändert werden können. rausgibt, die nicht zwingend sind. Das ist auch realistisch, dass von da wirklich mehr Unterstützung kommt.
Eine Forderung, die jetzt z.B. noch nicht im Papier steht, wäre auch, dass man eine statistische Erhebung macht, wieviele Hausaufgaben die Kinder eigentlich so machen. Da werden wir auf jeden Fall noch einen Anfrage an die Senatsverwaltung schreiben.
Es ist gut, wenn das jetzt öffentlich weiter diskutiert wird und wenn mehr Leute drüber nachdenken, darauf kommen, dass es eben eigenverantwortlich gemacht wird. Ich kann ja auch klar sagen, dass es viele gibt die keine Lust haben auf Hausaufgaben, weil sie nicht ganz verstanden haben, dass es eigentlich einen hohen Wert hat. An der Uni muss man ja später auch alles in Hausarbeit alleine machen… und da wollen wir hin.
Dann eine letzte Frage noch zur Chancengleichheit, denn es steht ja auch in eurem Papier: Es gibt Kinder und Jugendliche, die zuhause einfach keine Hausaufgaben machen und/ oder bezahlte Nachhilfe wahrnehmen können. Welche Möglichkeiten gibt es aktuell für sie, trotzdem üben zu können. Habt ihr Tipps?
Also vor allem in der Stadt gibt es schon viele Jugendclubs und Jugendfreizeitangebote, Vereine, Institutionen, wo man Hausaufgabenbetreuung machen kann, ohne dass es was kostet oder wo es dann eben durch eine Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe viel weniger Geld kostet als wenn man Nachhilfe nimmt. Für Kinder mit Sprachproblemen gibt es auch Nachhilfe, wie auch für Kinder in Flüchtlingsheimen, die schon in die Schulen gehen und es gibt glaube ich auch Jugendparteien, die sowas anbieten, Deutschnachhilfe oder ähnliches … aber da freuen wir uns auch immer wenn jemand auf uns zukommt und mit uns weiter drüber redet und uns Material und Informationen zukommen lässt.
Vielen Dank für das nette Gespräch!
1 Antwort
[…] Hausaufgaben in ihrer jetzigen Form, was der LSA stark befürwortet. Auch Franz steht dazu in der brausemag.de vom […]